Im Zuge der Jobsuche empfinden viele Kandidaten das Vorstellungsgespräch als Anlass zum Fürchten. Zum einen kann selbstverständlich das allgemeine Lampenfieber zu Aufregung und Unsicherheit beitragen. Zum anderen ist da dieses unbekannte und undurchdringliche Gegenüber: der Personalverantwortliche, dessen Pokerface Rückschlüsse auf Eindrücke und Bewertungen unmöglich macht. Doch keine Angst: Egal, wie sich Entscheider verhalten – es dient dazu, dem Gast hinter die Fassade zu blicken. Und zwar nicht mit dem Ziel, ihn bloßzustellen oder zu kritisieren, sondern um den besten Fit für die ausgeschriebene Stelle zu finden. Wer sich dies vor Augen hält, fühlt sich meist schon wohler in seiner Haut. Und wer noch dazu die Kriterien kennt, aus denen sich die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber ableitet, hat die besten Voraussetzungen, im Jobinterview zu punkten.
Differenzierte Vorbereitung
Klar ist: Je intensiver die Vorbereitung auf das Gespräch, desto besser die Erfolgsaussichten. Das sehen auch Personalchefs so. Mit Fragen zu Ihrer Motivation und Eignung für die Stelle möchten sie feststellen, ob Sie sich gezielt mit dem Unternehmen und seinen Besonderheiten auseinandergesetzt haben. Bringen Sie deshalb vorab alles von Relevanz über den potenziellen neuen Arbeitgeber in Erfahrung: Welche Services oder Produkte bietet er an, was sind seine Alleinstellungsmerkmale? Wie sieht die Unternehmensstruktur aus, wie viele Firmenstandorte gibt es und wo, gehört das Unternehmen zu einer Gruppe, gibt es Mutter-, Tochterfirmen oder Niederlassungen im Ausland, falls ja, wo und wie viele, und was sind deren Ausrichtungen? Auch mögliche neu geplante Geschäftszweige oder Produkte sind von Bedeutung, außerdem Mitarbeiteranzahl, Firmenphilosophie, Werte, öffentliches Image, Marktposition.
Motivation und Eignung beweisen
Damit will der HR-Verantwortliche aber nicht einfach Ihr Wissen testen. Er erwartet von Ihnen, zu zeigen, warum Sie die perfekte Wahl für die vakante Position sind, und dass Sie den Job wirklich wollen. Haben Sie das richtige Bild vom Unternehmen und eine konkrete Vorstellung von Ihrer künftigen Rolle darin? Warum passen genau Sie so gut zu diesem Arbeitgeber und dieser Stelle, was sind Schnittstellen in Ihrem Lebenslauf, welche Ihrer Projekterfahrungen machen Sie zum perfect match? Lassen Sie weder sich noch das Unternehmen austauschbar wirken. Letzteres verdirbt Personalern schnell die Lust, Sie weiter kennenzulernen. Füllen Sie Worthülsen mit Leben. Kommunikationsstark“, „motiviert“, „belastbar“ – Standardbegriffe wie dieser zieht inzwischen fast jeder Bewerber aus dem Hut. Die Eigenschaften mögen zutreffen – der Personalchef will aber vor allem wissen, wie sich diese im Job äußern. Verdeutlichen Sie an Beispielen, in welchen Situationen Sie welche Skills bewiesen haben und wie diese zu Erfolgen geführt haben.
Klare Angaben für Planbarkeit
Um Sie möglichst umfassend und nachhaltig einzuschätzen, interessieren sich Personaler auch für Ihre beruflichen Zukunftspläne. „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ ist eine typische Frage, die darauf abzielt, zu erkennen, ob Sie die ausgeschriebene Stelle eher als Übergang zu einer anderen Position oder sich langfristiger darin sehen. Beide Ausrichtungen sind legitim – wichtig ist, ehrlich zu sein. Die Planbarkeit der Stellen liegt HR-Verantwortlichen sehr am Herzen. Ihre Persönlichkeit spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle: Vermitteln Sie auch Ihre eigenen Zielvorstellungen, Werte und Ihre Arbeitsweise. Was erwarten Sie vom Unternehmen? Sind Kollegialität, Erfolg, Geld oder eher Freude am Job entscheidend? Teilen Sie gern Ihr Know-how, sind Sie hilfsbereit? Wie gestaltet sich Ihr Führungsstil? Personaler wollen ganz genau wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie Sie einstellen. Geraten Sie – bei aller Versuchung – bei diesen vielen Thematiken keinesfalls ins Schwafeln. Denn auch das bringt Minuspunkte. Wie in der schriftlichen Bewerbung, gilt auch im Interview: kurze, prägnante Aussagen bringen Sie weiter. Neben wichtigen Einblicken zeigen Sie damit Wertschätzung und Verständnis für Ihr Gegenüber, dessen Terminplan garantiert prall gefüllt ist. Zeit ist Geld. Halten Sie sich daher nicht zu lange an Einzelheiten auf. Außer Sie werden darum gebeten. Tipp: Die StepStone Studie „Kandidaten im Fokus“ zeigt, was Bewerber im Job wollen. Die wichtigsten No-Gos im Vorstellungsgespräch fasst eine Folge des StepStone Youtube-Vlogs zusammen.
Souveränität im Stresstest
Sind Sie bisher besonnen, klar und plausibel geblieben, haben Sie Credits gesammelt. An einem Punkt im Gespräch könnte Sie der Personalchef dennoch triggern: Stressfragen sind ein häufig genutztes Instrument im Jobinterview – und bei Bewerbern unbeliebt. Das Risiko, sich zu verzetteln oder etwas Falsches zu sagen, scheint groß. Dabei geht es Personalern nur in zweiter Priorität um die richtige Antwort. Die einzig wahre Replik existiert meist ohnehin nicht. In der Hauptsache testen Fragende das Reaktionsvermögen der Kandidaten, um deren Problemlösekompetenz unter Zeit- und Erwartungsdruck zu checken. Wie gehen sie mit den Fragen um? Antworten sie persönlich, smart, gewissenhaft? Und vor allem: Bleiben sie bei der Wahrheit? Das kommt gut an – und lässt sich bis zu einem gewissen Punkt trainieren.
„Wenn Sie ein Superheld wären: Welche Superpower hätten Sie gern und warum?“ / „Über welchen Punkt in Ihrer Vita wollen Sie mit mir auf keinen Fall sprechen?“
Mit Analogiefragen wie diesen Klassikern möchten Personaler noch mehr über Ihre Motivation, Ziele und Ihr Wertesystem erfahren. Clever ist, die Antworten zu begründen und dabei im Businesskontext zu bleiben. Rücken Sie Eigenschaften und Fähigkeiten in den Vordergrund, die auch in der ausgeschriebenen Position nützlich sind. Fragen nach Geheimnissen können Sie entweder mit einem allgemeinen privaten Thema sowie dem Hinweis begegnen, dass das Jobinterview dafür nicht den passenden Rahmen bietet. Oder Sie benennen etwas ganz klar, weisen aber darauf hin, dass es ja nur eine hypothetische Thematisierung war, auf die Sie – gemäß Fragestellung – gar nicht eingehen möchten.
„Was war an Ihrem letzten Job am nervigsten?“ / „Warum war keine Ihrer bisherigen Bewerbungen erfolgreich?“
Fangfragen setzen HR-Verantwortliche ein, um unangenehmen Sachverhalten auf den Grund zu gehen. Behalten Sie die Nerven! Gehen Sie nicht in die Defensive, sondern liefern Sie sachliche Argumente inklusive Begründung. Dabei können Statistiken sinnvoll sein, etwa zur Durchschnittsdauer einer Jobsuche oder zur Anzahl von Wettbewerbern in einem bestimmten Bereich. Entweder-Oder-Fragen beantworten Sie am besten mit den Vorzügen, die Sie auf beiden Seiten sehen.
„Sie haben sehr lange für Ihr Studium gebraucht.“ / „Über welche Station in Ihrem Lebenslauf, die Sie mir bisher verschwiegen haben, sprechen wir als Nächstes?“
Diese Fragen gehören zum Typ offensive Unterstellung beziehungsweise Provokationsfragen. Sie rücken vermeintliche oder tatsächliche Schwächen ins Blickfeld. Auch dabei gilt: Lassen Sie sich nicht aus dem Konzept bringen und rechtfertigen Sie sich nicht, denn damit wirken Sie unsicher und wenig überzeugend.
„Wie viele Apfelkisten passen in einen Supermarkt?“ / „Wie viel wiegen die Fahrzeuge auf der Autobahn 1?“
Brain-Teaser fordern logisches Denkvermögen, Kreativität oder analytische Fähigkeiten von Kandidaten heraus. Was zählt, ist nicht das Ergebnis, sondern die Herangehensweise an diese Art Fragestellungen. Wie würden Sie sich strategisch einer sinnvollen Antwort nähern?
Diplomatie und Besonnenheit sind gefragt
Für sämtliche Frage-Kategorien im sogenannten Stresstest gilt: Antworten Sie diplomatisch, bleiben Sie gelassen, geistesgegenwärtig und lassen Sie sich nie zu kritischen Äußerungen hinreißen, weder über sich selbst noch über andere, ganz besonders nicht über Ihre bisherigen Arbeitgeber. Halten Sie auch Emotionen und Empfindungen wie Wut, Ungläubigkeit und Überforderung zurück, nehmen Sie nichts persönlich. Und noch ein Tipp: Auch, wenn sich Kandidaten auf Stressfragen gut vorbereiten können, sollten die Antworten niemals auswendig gelernt wirken. Das hat kein HR-Spezialist gern. Preps dienen vielmehr dazu, Stressfragen als solche zu identifizieren und richtig einordnen zu können. Wer sich dann die nötige Ruhe nimmt und sortiert antwortet, hat die besten Chancen, auch diese Etappe im Vorstellungsgespräch zu meistern.
Punkten mit Überzeugungskraft und Manieren
Inhalte und Struktur Ihrer Aussagen im Vorstellungsgespräch sind das eine. Wie Sie dabei rüberkommen, ist das andere. Personaler achten stark auf die Wirkung von Kandidaten im Interview – machen sie einen schüchternen, ängstlichen oder distanzierten Eindruck? Legt ihr Verhalten ein übertriebenes Selbstbewusstsein nahe? Beide Extreme schmälern Ihre Chancen. Finden Sie eine gute Balance. Machen Sie sich nicht kleiner, als Sie sind, aber arbeiten Sie stets mit realistischen Maßstäben. Unter Beobachtung stehen Sie übrigens nicht erst ab der Interview-Frage Nummer eins, sondern schon vor und auch nach dem Gespräch. Damit beeindrucken Sie jeden Personaler:
- Erscheinen Sie pünktlich, fokussiert und ausgeruht. Ihre Kleidung sollte der Branche angemessen sein, gedeckte Farben sind empfehlenswert.
- Müssen Sie warten, bleiben Sie aufmerksam. Halten Ihre Umgebung interessiert im Blick, vermeiden Sie alles, was Teilnahmslosigkeit oder Langeweile suggeriert, etwa Tippen auf dem Smartphone.
- Begrüßen Sie Ihre Gegenüber mit offenem Augenkontakt und – abseits von Pandemiegeschehen – stabilem Händedruck. Nicht zu lasch, nicht quetschen. Sprechen Sie alle mit korrektem Namen an.
- Setzen Sie sich erst nach Aufforderung und bewahren Sie Haltung: gerader Rücken, Schultern zurück, erhobener Kopf, Hände sichtbar vor dem Körper. Beugen Sie sich leicht vor, vermitteln Sie Interesse, gestikulieren Sie nicht zu stark.
- Wahren Sie Professionalität, werden Sie nicht zu vertraulich und vermeiden Sie Witze. Und: Finger weg von Smartphone, Butterbrot und Co.
Fazit: Wer in der Lage ist, Begeisterung für dieses eine Unternehmen, seine Produkte oder Dienstleistungen sowie die Position zu zeigen, wer es schafft, sich ein klares Profil zu geben und seine Top-Kompetenzen für die vakante Stelle auf den Punkt zu bringen, wer seine Werte greifbar macht und beweist, dass er nicht beliebig Floskeln herunterbetet, hat die besten Aussichten, bald seinen neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Vergessen Sie dabei aber nie: Ein Vorstellungsgespräch ist immer ein Kennenlernen auf Augenhöhe. Heutzutage geht es nicht mehr allein darum, dass Sie dem Unternehmen gefallen – es muss Ihnen umgekehrt auch zeigen, warum es sich lohnt, bei ihm anzuheuern. Gehen Sie daher immer mit dem Ziel in ein Jobinterview, herauszufinden, ob beide Seiten zueinander passen.